April 2015
Im Sportstudio sagte eine junge Frau zu mir, “ich finde es gut, wenn ältere Frauen noch Sport machen”. Zack, da war es wieder, das Alter. Woran soll ich denn mein Alter eigentlich festmachen, wenn ich nicht andauernd mit einem Spiegel vor der Nase herum laufen will. In meinem Inneren bemerke ich das Alter nämlich nicht; da fühlt sich nichts alt oder auch nur älter an. Genau die selben Flausen und Eitelkeiten, wie mit 20, 30, 40, 50 beherrschen meine Gedanken; die selbe Lust auf Lachen, Tanzen und Sex wie eh und je; zuweilen weniger, im allgemeinen ist die Lust am Leben aber immer präsent.
Nun habe ich schon 14 Jahren einen Liebhaber; ich war immer schon treu. Er ist mein Spatz in der Hand, was gar nichts über seine Qualitäten als Liebhaber aussagt. Denn einen Mann, den ich meinen Partner nennen könnte, begegnete mir nach der letzten Scheidung, die war 2002, nicht mehr. Ich hörte aber auch auf nach einem neuen zu suchen. Ich bin seither so mit mir und meinem Leben beschäftigt, dass darin für einen Gefährten gar kein Platz mehr wäre. Kaum vorzustellen, dass ich mich am Abend über das Fernsehprogramm beraten sollte, meinen Joint teilen, oder gar einen Platz neben mir auf meiner Couch, wo ich doch dort immer so erquicklich vor dem Fernseher einschlafe. Ein wenig Galgenhumor erlaube ich mir hier mal. Männer, die altersmässig nun noch zu mir passen könnten und frei herum laufen, sind entweder vergeben oder einfach nur alt und ohne Charme. Ich will nicht aufzählen, womit frau sich so den ästhetische Blick beschmutzen lassen muss. Meine Freundin Katharina sagte zu mir, “Bergit du bist so lecker”. Das ist doch das Mindeste, was ich erwarte, wenn ich einen Mann anschauen möchte. Aber ich bin ja sowieso unsichtbar, für Alte und Junge. Macht ja nix!
Mein Liebhaber ist ein Fotograf und einmal, als er 50 wurde, habe ich ihm ein sexy Foto von mir geschenkt. “Mehr bitte, mach’ mehr solche Fotos”, sagte er da zu mir. Und auch, dass ich eine eigene fotografische Handschrift habe. So ist es gekommen, dass ich dann ein ganzes Buch mit Selbstporträts machte. Was eigentlich als Geburtstagsgeschenk gedacht war, wurde mit einem mal ein Projekt. Es gab eine Ausstellung meiner Fotos in einer Galerie, es gibt eine Webseite und drei Foto- Bücher. Alle mit der Botschaft, jungen Frauen zu sagen; schaut her, sinnlich sein hört nicht mit 20, 30, 40 oder 50 auf. Immerhin war ich schon über 60, als die Fotos entstanden sind. Sinnlichkeit bleibt und gegen die Falten gibt es Fotoshop.
Mein Galerist schrieb in der Ankündigung zu meiner Bildern: “ Die Künstlerin hat einen ungeschminkten Blick auf den eigenen Körper, seinem Verfall im Altern und die Schönheit die darin liegt. Die erotischen Bilder der BB sind anders. Anders als die gemeinhin vom Standpunkt des voyeuristischen Fotografen für ein voyeuristisches Publikum gemachte Bilder. Die Bilder sind Ausdruck einer eher seltenen Intimität. Sie zeigen Augenblicke von Lust und von Nacktheit; und damit meine ich nicht nur das Fehlen von Kleidung.”
Das war aber nur der erste Schritt auf dem Weg zu dieser Niederschrift. Mit 40 schwor ich mir, dass das nun das letzte mal gewesen sei, mich nackt ablichten zu lassen. Und nun, mit über 60, zeige ich mehr nackte Haut als je zuvor. Eigentlich war da noch mehr, was aus meinem Inneren heraus wollte. Wie wurde ich zu der, die ich heute bin? Die Suche nach den Antworten ist mein Antrieb dafür, hier aufzuschreiben wie es gekommen ist, dass ich so bin wie ich heute bin. In jedem Leben gibt es einen Anfang, eine Mitte und eine Ende, das Ende hat nun für mich schon begonnen. Das muss frau anerkennen, sonst bleibt sie stehen, bekommt Diabetis, Bluthochdruck oder wird zur Witzfigur. Ich bin froh um diese Erkenntiss und will sie auskosten, sie mit Worten und Bildern der Erinnerung anfüllen.